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07.10.2024
Themenbeitrag

Bin ich ein guter Mensch?


Bild von: MagicZyks

Eine Frage, die sicher viele von uns schon einmal beschäftigt hat. In diesem Essay möchte ich mich genau damit auseinandersetzen.

Zuerst einmal: Passt diese Frage überhaupt in diesen Kontext? Auf den ersten Blick hat sie ja nicht viel mit BDSM zu tun. Und doch, bei genauerem Hinsehen, merkt man schnell, dass gerade die sexuelle Orientierung – besonders, wenn sie von der Norm abweicht – häufig Anlass gibt, sich mit der eigenen Moral auseinanderzusetzen. Vielleicht geht es anderen SMern genauso wie mir.

Es passiert nicht selten, dass Mitglieder unserer Community uns bitten, ihr Profil schnell zu löschen – der Arbeitgeber, das Jugendamt oder gar der Scheidungsanwalt sollen es bloß nicht finden. Dahinter steckt oft die Sorge, dass man aufgrund seiner Neigung als moralisch defizitär wahrgenommen wird.

Interessanterweise bekomme ich, wenn ich von meiner Neigung erzähle, meistens neugierige und positive Reaktionen. Warum? Weil die Menschen zuerst mich, den Menschen „Magic“, kennenlernen, bevor das Thema BDSM überhaupt auf den Tisch kommt. Sie haben sich schon eine Meinung über mich gebildet und sind deshalb offener für vermeintlich „verstörende“ Themen. Doch in manchen Fällen tauchen dann nachträglich Fragen auf. Und diese Fragen haben es in sich:

  • Ist Sadismus ein Charakterfehler? Vielleicht sogar die Unfähigkeit, eine Frau glücklich zu machen, sodass man wenigstens Schmerz als starke Emotion erzeugt?
  • Liegt SM in einem tief verwurzelten Frauenhass begründet?
  • Oder ist es ein Ausdruck von Minderwertigkeitskomplexen – die Idee, dass man keine Frau auf andere Weise an sich binden kann, als durch Seil und Ketten?
  • Oder haben wir einfach Angst vor Frauen? Ist BDSM der Versuch, das "gefährliche weibliche Wesen" zu zähmen – wie ein Löwenbändiger mit Peitsche in der Hand?
  • Und ist Dominanz nicht letztlich nur ein Deckmantel für patriarchalische Unterdrückung?
  • Schließlich: Nur weil etwas einen Namen hat (BDSM), heißt das nicht, dass es nicht „krank“ ist.

Das sind nur einige der Fragen, die aufkommen können – und bei Weitem nicht die einzigen.

Ich erinnere mich an eine Situation, in der mich eine junge Frau mit einem wirklich scharfen Vergleich konfrontierte: Sie verglich mich mit einem Drogendealer. Durch meine Tätigkeit in der Sklavenzentrale, so ihre Meinung, würde ich anderen "Perversen" ermöglichen, an ihren „Stoff“ zu kommen, anstatt eine Therapie zu machen. Kurz gesagt: Ich stünde der „Heilung“ dieser Menschen im Weg.

Genau solche Vorwürfe machen das Thema aber relevant für unsere Community. Denn sie bringen uns zurück zur Ausgangsfrage: Was ist überhaupt ein guter Mensch?

Frei nach Forrest Gump könnte man sagen: „Gut ist, wer Gutes tut.“ Das klingt schön einfach, aber ist es das wirklich?

Als Gesellschaft brauchen wir ein gewisses Maß an „Gutsein“, um miteinander auszukommen – im Idealfall bereichern wir uns sogar gegenseitig und helfen einander. Doch der Alltag zeigt oft das Gegenteil. Sobald ein neuer Bäcker in der selben Straße eröffnet wo der alte seit Jahren sein Geschäft hat, oder der aktuelle Nummer-Eins-Hit schon nach drei Tagen von einem anderen Sänger abgelöst wird, zeigen sich unsere egoistischen Tendenzen. Hätte der Kollege nicht noch zwei Wochen warten können, bzw. seinen Laden in einem anderen Ortsteil eröffnen?

Egoismus ist oft der Feind des Gutseins. Aber auch Perfektionismus kann Schaden anrichten. In meiner Erfahrung gibt es keine noch so gute Idee, die durch den Drang zur Perfektion nicht irgendwann in eine totalitäre Richtung abgleiten kann.

Ein Beispiel aus unserer Community: Der Versuch, eine Regel immer weiter zu perfektionieren und „wasserdicht“ zu machen, führte am Ende dazu, dass die Regel so kompliziert wurde, dass keiner mehr etwas damit anfangen konnte.

Die Geschichte der Menschheit ist voll von guten Absichten, die katastrophale Folgen hatten. Genauso gibt es aber auch Fälle, in denen schädliche Absichten am Ende unerwartet positive Auswirkungen hatten. Frei nach dem Motto: „Was dich nicht umbringt, macht dich stärker.“

Manche Menschen wachsen durch Verständnis und Unterstützung, Eigenschaften, die wir wohl alle einem „guten“ Menschen zuschreiben würden. Andere jedoch hält so ein Zuspruch „am Platz“, sie brauchen den Widerstand, um wirklich zu wachsen.

Mein persönliches Fazit.

Ich habe eine gesellschaftlich geprägte Vorstellung davon, was einen „guten“ Menschen ausmacht. Aber ob gute Taten immer gute Resultate bringen, ist keineswegs sicher. Der Versuch, „besonders gut“ zu sein, birgt oft das Risiko, genau das Gegenteil zu bewirken. Wenn ich z.B. meinen Kindern, in guter Absicht, alle Steine aus dem Weg räume, nehme ich ihnen Möglichkeit zu lernen selbst Probleme zu bewältigen.

Vielleicht liegt der realistische Anspruch an das „Gutsein“ irgendwo in der Mitte – zwischen dem Ehrgeiz moralisch perfekt zu sein und einer gewissen moralischen Gleichgültigkeit.

Lustigerweise komme ich fast zu dem Schluss, dass man am besten fährt, wenn man sich die Frage nach dem eigenen Gutsein nicht allzu oft stellt. Und mein Eindruck ist: So halten es die meisten Menschen auch.

Sollte dieser Ansatz allerdings dazu führen, dass man mit den Gesetzen in Konflikt gerät – nun ja, dann ist es vielleicht Zeit für eine neue Strategie.

Was meint ihr? Sind meine Standards zu niedrig, oder wie seht ihr das Thema „Gutsein“?

Lieben Gruß M. Zyks

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